Freiwilligkeit im Vordergrund
Wer einen Fulltime-Job hat, kann die unterschiedlichen Betreuungs- oder Pflegeaufgaben oft nicht parallel bewältigen. Deshalb bieten Unternehmen solchen Mitarbeitern verschiedene Teilzeitmodelle an. "Bei uns gibt es kurz- und langfristige Lösungen. Über Gleitzeit ist es möglich, auch kurzfristig einen ganzen Tag frei zu nehmen", berichtet Krause. Wünscht sich der Mitarbeiter eine längerfristige Lösung, greifen mehrere Betriebsvereinbarungen. "Möchte eine Mutter ihr Kind ins Krankenhaus begleiten, kann sie sich unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen", erläutert der Nürnberger Personaler. Verschiedene Teilzeitmodelle mit reduzierter Wochenarbeitszeit sind möglich.
Datev bietet seinen Angestellten auch Sabbaticals an. Ob jemand auf Weltreise gehen, sich weiterbilden oder einen Verwandten pflegen möchte - all diese Varianten sieht die Vereinbarung vor. "Wenn sich ein Kollege für die Pflege von Angehörigen freistellen lassen will, ist das auch kurzfristig möglich", sagt Krause. Wer beispielsweise ein Jahr frei nehmen wolle, könne weiterhin 75 Prozent seines Gehalts beziehen. Nach diesem Jahr steige die Person wieder als Vollzeitkraft ein und erhalte für drei weitere Jahre nur 75 Prozent ihres Gehalts, bis die Differenz beglichen ist.
Bis zu zwei Jahren Pause
Auch eine Beurlaubung von bis zu zwei Jahren sei möglich. Dann erhöhe sich die Gesamtlaufzeit der Vereinbarung auf sechs Jahre. Das Gehalt reduziere sich in dieser Zeit auf 66 Prozent. "Wir übernehmen als Arbeitgeber auch einen Teil des Risikos. Außerdem bieten wir unseren Mitarbeitern eine Wiedereinstellungsgarantie", so der Datev-Personaler. Diese Garantie gelte für eine befristete Unterbrechung von bis zu 42 Monaten. Das Familienpflegezeitgesetz (siehe Kasten Seite 40) nimmt Datev nicht in Anspruch.
Auch Gunther Olesch von Phoenix Contact hält die gesetzliche Regelung für zu kompliziert: "Wir haben unterschiedliche Arbeitszeitmodelle eingerichtet. Jeder Mitarbeiter kann bis zu 210 Stunden auf seinem Gleitzeitkonto ansammeln oder auch als eine Art Kredit in Anspruch nehmen." Eine bereits vor zwölf Jahren ausgehandelte Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Beschäftigte regelmäßig tageweise von zu Hause aus arbeiten können. Um allerdings in den Genuss dieses Privilegs zu kommen, bedarf es einer Begründung. "Es muss nachvollziehbar und gerecht gegenüber den Kollegen sein, weshalb jemand diese Variante wählt", schränkt der IT- und Personal-Manager Olesch ein.
Allerdings sehen die befragten Unternehmen auch klare Grenzen des Engagements. Wer seine Probleme weiterhin für sich selbst lösen möchte, wird nicht zu einem Beratungstermin gezwungen. Weder Gesundheits-Checks noch Sportprogramme oder Hilfsangebote sind verpflichtend. "Mit den Angeboten möchten wir unseren Mitarbeitern Optionen bieten. Niemand muss daran teilnehmen", versichert Olesch.
Auch Andreas Krause von Datev weiß, dass es unangenehme Themen und Grenzen gibt. "Wir haben eine Betriebsvereinbarung zum Thema Sucht und bieten Hilfe statt Kündigung an. Das hilft vielen, sich zu öffnen und Hilfe in Anspruch zu nehmen", erläutert der Datev-Mann. Wird das Gehalt eines Mitarbeiters gepfändet, weiß die Gehaltsabrechnung davon: "Wir gehen in extremen Fällen aktiv auf die Kollegen zu und raten zu einer Schuldnerberatung." (hk)
- Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen." - Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten." - Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden." - Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie." - Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten." - Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden." - Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind." - Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."
Familienpflegezeitgesetz
Seit Januar 2012 ist das Familienpflegezeitgesetz in Kraft. Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit reduzieren, um Angehörige zu pflegen. Für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten können Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden minimieren. Wenn beispielsweise eine Vollzeitkraft ihre wöchentliche Stundenzahl von 40 auf 20 verringert, beträgt das Gehalt 75 Prozent des letzten Bruttoentgelts. Nach maximal zwei Jahren muss der Pflegende wieder Vollzeit arbeiten, erhält aber so lange nur 75 Prozent des Gehalts, bis die Differenz wieder ausgeglichen und das vom Arbeitgeber gewährte Darlehen zurückgezahlt ist. Der Arbeitgeber kann diese Kosten über ein zinsloses Bundesdarlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Ausgaben (BAFzA) finanzieren. Allerdings müssen Arbeitnehmer ein mögliches Ausfallrisiko mit einer Versicherung abfedern.
Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. So kompliziert der Titel klingt, ist auch die Handhabe. Zwar gebe es Interesse an dem Gesetz, doch nach Angaben des Familienministeriums wird das Familienpflegezeitgesetz lediglich in rund 200 Fällen genutzt. Doch manche Firma greift die Idee auf, ohne das Darlehen in Anspruch zu nehmen, und entwickelt eigene Konzepte und Betriebsvereinbarungen.
Weitere Infos unter http://www.familien-pflege-zeit.de