Hirnforscher Hüther im Interview

Keine Leistung ohne Vertrauen

02.10.2010
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Wer Angst hat, lernt nichts mehr dazu

CW: Wie beeinflussen Angst und Stress die Fähigkeit des Menschen, Probleme eigenständig zu lösen?

HÜTHER: Schwierig wird es, wenn man vor zu vielen Problemen steht, die nicht zu bewältigen sind, an denen man scheitert. Dann entstehen negative Erfahrungen, ein negatives Selbstbild. Dann traut man sich nichts mehr zu, man hat schon Angst, wenn wieder etwas Neues kommt. Man verliert so den Mut, neugierig zu sein, und beschränkt sich auf der Suche nach neuen Erfahrungen auf das, was einem schon vertraut ist, was man kennt. Das geht leider sehr vielen Menschen so. Solche einseitigen Bahnungen lassen sich vermeiden.

CW: Wie kann man solchen negativen Erfahrungen entgegenwirken?

HÜTHER: Es ist sehr unproduktiv, Dinge ändern zu wollen, die man ohnehin nicht ändern kann. Das kann nur unglücklich machen. Wer also innerlich glücklich und zufrieden mit sich selbst werden will, sollte sich dort betätigen und engagieren, wo er auch etwas bewegen kann.

CW: Welches Klima sollte in einem Unternehmen herrschen, damit Mitarbeiter ihre Aufgaben optimal bewältigen können?

HÜTHER: Angst ist ein Gefühl und lässt sich nur durch ein anderes, entgegengesetztes Gefühl überwinden: Vertrauen. Wir Menschen verfügen über drei Ressourcen, mit deren Hilfe wir Angst und Verunsicherung überwinden können: erstens das Vertrauen in eigene Fähigkeiten, eigenes Wissen und eigene Erfahrungen. Zweitens das Vertrauen in die Fähigkeiten anderer zur Zusammenarbeit, gegenseitigen Hilfe, auch das Vertrauen in das Verständnis, das uns andere entgegenbringen, gehört hierher. Und drittens Vertrauen in etwas, was "die Welt im Innersten zusammenhält", das "Orientierung bietet" und unserem Leben und Leiden Sinn verleiht, also Glaube, Liebe, Hoffnung, wie es so schön pathetisch heißt. Immer dann, wenn man die Erfahrung machen kann, dass eine oder sogar alle drei dieser Angstbewältigungsstrategien hilfreich sind, stellt sich ein gutes Gefühl ein, und das Vertrauen in die Kraft dieser Ressourcen wächst.