Machtbereich des Arbeitnehmers
Die Richter des BAG wiesen in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass eine Kündigung unter Abwesenden erst dann zugeht, wenn sie verkehrsüblicherweise in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, sodass dieser unter den gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, hiervon Kenntnis zu nehmen. Dabei sei es ebenso möglich, Kündigungsschreiben auch an solche Personen zu übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung zusammenleben und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten als geeignet erscheinen, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten.
Vor allem Ehegatten seien als solche zulässigen Empfangsboten anzusehen. Die BAG-Richter sahen es des Weiteren auch nicht als hinderlich an, dass das Kündigungsschreiben dem Ehemann an dessen Arbeitsplatz und damit außerhalb der ehelichen Wohnung übergeben worden ist. Denn nach ihrer Ansicht sei allein entscheidend, dass unter den normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am gleichen Tag gerechnet werden konnte.
- Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf. - Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam. - Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist. - Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen. - Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. - Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.
Insoweit wiesen die BAG-Richter auch noch das Argument der Klägerin zurück, wonach die Eigenschaft ihres Ehemanns als "externer Briefkasten" nicht mit dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG zu vereinbaren sei, weil sich ihr Verheiratetsein als ein erheblicher Nachteil gegenüber Nichtverheirateten oder Lebenspartnern herausstelle (denn dort gäbe es nach der Ansicht der Klägerin keine entsprechende Verkehrssitte). Hierbei betonten die Richter nämlich, dass sämtliche in der Wohnung des Kündigungsempfängers lebenden erwachsenen Haushaltsmitglieder als solche Empfangsboten fungieren könnten, d. h. also auch unverheiratete Lebenspartner. Nach alledem bestätigten die Richter die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 29.02.2008 und nicht erst zum 31.03.2008 (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az.: 6 AZR 687/09).
Im vorliegenden Fall ist die Zustellung der Kündigung im sprichwörtlichen Sinne also noch einmal gut gegangen. Aber was wäre passiert, wenn der Ehemann die Annahme des Briefes verweigert hätte? Die BAG-Richter ließen in ihrer Urteilsbegründung durchblicken, dass dann nicht mehr von einem rechtswirksamen Zugang noch am 31.01.2008 hätte gesprochen werden können. Arbeitgeber sollten daher bei der Zustellung der Kündigung eines Arbeitsvertrages erhebliche Sorgfalt walten lassen: