Technologie, Medien und Telekommunikation

Künstliche Intelligenz bewährt sich in der Praxis

27.06.2018
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Künstliche Intelligenz verbessert Entscheidungen

Mit intelligenten und selbstlernenden Systemen können Unternehmen nicht nur die anschwellenden Datenberge besser verwalten, sondern daraus Erkenntnisse und Handlungsoptionen in Echtzeit ableiten. So lässt sich beispielsweise das wahrscheinliche Verhalten eines Kunden oder auch Lieferanten anhand vieler Parameter antizipieren. Amazon Web Services (AWS) etwa setzt schon seit längerem Machine-Learning-Techniken ein, um die Auftragsentwicklung bei der Muttergesellschaft Amazon genauer analysieren und vorhersagen zu können.

Amazon Web Services (AWS) nutzt Machine-Learning-Techniken, um die Auftragsentwicklung bei der Muttergesellschaft Amazon genauer analysieren und vorhersagen zu können.
Amazon Web Services (AWS) nutzt Machine-Learning-Techniken, um die Auftragsentwicklung bei der Muttergesellschaft Amazon genauer analysieren und vorhersagen zu können.
Foto: wawritto - shutterstock.com

Das führt beispielsweise dazu, dass in Zeiten schwächerer Nachfrage weniger IT-Ressourcen eingesetzt werden und der Online-Händler andererseits auch nicht von einem plötzlichen Anziehen des Geschäfts überrascht wird. Den Angaben zufolge nimmt das Machine-Learning-System auch kleinste Signale wie etwa die Verlängerung eines Sonderangebots für ein Produkt wahr, die selbst erfahrene Mitarbeiter übersehen würden.

In der Medienbranche gehört unter anderem der Disney-Konzern zu den frühen KI-Nutzern. Zwar kann auch künstliche Intelligenz nicht vorhersagen, ob ein aufwändig produzierter Film zum Blockbuster oder zum Flop gerät. Doch Disney arbeitet daran, seine Informationsbasis zu verbreitern und setzt dazu beispielsweise Deep-Learning-Algorithmen und Gesichts-Scanner ein. Damit ausgestattet überwacht ein System in einem Testszenario die Emotionen von Filmkonsumenten in Echtzeit. Die Software liefert damit auch ein Beispiel für Big Data in der Praxis: Angewandt auf mehrere tausend Testsubjekte generierte sie mehr als 16 Millionen Datenpunkte, die Disney für weitergehende Analysen nutzen kann.

Machine Learning im Kundenkontakt

Mit der Vielzahl mobiler Endgeräte und Social-Media-Kanäle verändert sich für Unternehmen auch die Art und Weise, wie sie mit Kunden und Partnern interagieren. Wer das sogenannte "Customer Engagement" intensivieren will, setzt auf Recommendation Engines. Mithilfe intelligenter Algorithmen spielen sie Kunden individuelle Angebote und Werbung aus. Hinzu kommen immer öfter auch Chatbots, die künstliche Intelligenz zur Sprachverarbeitung und Texterkennung nutzen, um auf diese Weise beispielsweise den Kundenservice zu verbessern.

Ein prominentes Beispiel ist Netflix. Der Streaming-Anbieter arbeitet kontinuierlich daran, sein Empfehlungssystem zu verbessern und so die Zahl abwandernder Kunden zu reduzieren. Eine neue entwickelte KI-gestützte Recommendation-Lösung gibt Kunden selbständig Empfehlungen aus dem riesigen Film- und Serienangebot. Der wirtschaftliche Erfolg allein dieser Maßnahme entspricht nach Angaben von Netflix einem jährlichen Umsatzvolumen von einer Milliarde Dollar.

Chatbot erledigt Kundenanfragen

Welchen Nutzen intelligente Chatbots bringen können, zeigt Ticketbis, ein zum eBay-Konzern gehörender Online-Service, auf dem Kunden ihre Tickets für Sport- und Kulturveranstaltungen weiterverkaufen können. Das rasante Wachstum der Website führte schnell zu Problemen im Kundenservice. Gemeinsam mit dem kalifornischen KI-Spezialisten Inbenta entwickelte Ticketbis einen Chatbot, der Kunden in einem Self-Service-Prozess bei Transaktionen und Anfragen unterstützt. Mithilfe von Natural Language Processing nehmen Kunden über ein animiertes Hilfe-Fenster Kontakt mit dem Bot auf. Den Angaben zufolge ist das System "smart" genug, um zu wissen, wann es einen Fall an einen realen, sprich menschlichen Kundenbetreuer übergibt. Inzwischen soll der Chatbot so ausgereift sein, dass Ticketbis 85 Prozent seiner Kundenanfragen darüber abwickeln könne.

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Auch der Telekommunikationskonzern Vodafone nutzt intelligente Assistenten im Kundenservice. Eine KI-Initiative verlieh dem bereits aktiven Chatbot "TOBi" zusätzliche Fähigkeiten. Kunden können sich damit etwa per Stimmerkennung bei Anfragen authentifizieren, die sonst üblichen Sicherheitsfragen etwa nach dem Geburtsdatum oder dem Mädchenamen der Mutter entfallen. Vodafone arbeitet zudem daran, die Wissensbasis des Bots zu verbreitern. So beherrscht der smarte Assistent mittlerweile auch komplexe technische Themen und kann beispielsweise detaillierte Fragen zu geltenden Roaming-Regelungen beantworten.