Wie ein Mittelständler professionell und fair Mitarbeitern kündigte

So entlassen Sie richtig!

24.05.2023
Von 

Silas Koch arbeitet in Darmstadt unter anderem  als Fachjournalist. Er ist auf IT- und Managementthemen spezialisiert.

Das Vertrauen der "Survivor" nicht verlieren

So vorbereitet bewarben sich die gekündigten Mitarbeiter. Durch dieses gezielte Vorgehen hatten 15 der 29 entlassenen Mitarbeiter bis zum Jahresende, also vier Monate nach den Bewerbungstrainings schon wieder eine neue Stelle. Fünf weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen, und vier eine längerfristige Weiterbildung beziehungsweise Umschulung zu machen. Also hatte nur noch etwa jeder Sechste entlassene Mitarbeitende keine neue berufliche Perspektive.

Über diese positive Entwicklung informierte der Geschäftsführer des Unternehmens im Januar 2023 die verbliebenen Mitarbeiter, die sogenannten "Survivor", in einer Kick-Off-Veranstaltung, die die Phase des Neustarts in dem gesundgeschrumpften Unternehmen einläutete. Dies stärkte die Identifikation der verbliebenen Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber, weil sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen - und damit sicher auch unseres - ist unseren Chefs nicht egal.

Ein solches Signal an die "Survivor" zu senden, ist wichtig. Nicht nur, weil dies ein Ausdruck der Wertschätzung für die Ex-Mitarbeiter ist. Hinzu kommt: Die verbleibenden Mitarbeitenden beobachten und registrieren sehr genau, wie der Betrieb mit ihren bisherigen Kollegen umgeht. Hieraus leiten sie wiederum ab, welches "Schicksal" ihnen künftig eventuell droht. Deshalb führt ein Personalabbau- und Trennungsprozess, der von ihnen als nicht fair empfunden wird, oft zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei den verbleibenden Mitarbeitenden.

Checkliste Personalabbau-Projekt

Phase 1: Vorbereitungsphase

Prüfung aller gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen:

  • Konjunkturelles Kurzarbeitergeld

  • Förderung der beruflichen Weiterbildung

  • Tarifliche und betriebliche Regelungen wie

  • Altersteilzeit

  • Teilzeitarbeit

  • Jahresarbeitszeitkonten zur Arbeitszeitflexibilisierung

  • Interne Versetzungen

  • "Sabbaticals"

Phase 2: Unterrichtungs- und Verhandlungsphase

  • Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung und des Wirtschaftsausschusses

  • Beratung mit deren Vertretern bei sozialplanpflichtigen Entlassungen

  • Ggf. Erstellen eines Sozialplans

Phase 3: Umsetzungsphase

  • Informieren aller Mitarbeiter

  • über den Ablauf der geplanten Maßnahmen

  • über die am Prozess beteiligten PersonenÜer

  • über Erfolgsquoten und Erfahrungen aus ähnlichen Projekten

Ziel: Vertrauensbildung zwischen den betroffenen Mitarbeitern und den am Prozess beteiligten Beratern

Umsetzung der Trennungen

  • Gesprächsführungstraining für die Führungskräfte

  • Gespräche mit Mitarbeitern, die man halten möchte

  • Umsetzung eines Freiwilligenprogramms

  • Durchführen der Trennungsgespräche

  • Training und Beratung für die ausscheidenden Mitarbeiter

  • Bewerbertraining in Gruppen

  • Einzelberatung

Ziele: Vorbereiten auf den Bewerbungsprozess, Erarbeiten professioneller Bewerbungsunterlagen, Vorbereiten auf Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgespräche, Erschließen beruflicher Alternativen (z. B. Selbständigkeit)

Phase 4: Vermittlung in neue Arbeit

  • Eventuell Vermittlung von Kontakten zu externen Unternehmen,

  • Bewerbungscoaching nach Bedarf

Ziel: möglichst hohe Vermittlungsquote in adäquate Anschlussbeschäftigungen der gekündigten Mitarbeiter

(zusammengestellt von Thomas Fischer, Senior Consultant bei der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal)

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