Spezialagenten der Datenqualität

15.11.2007
Von Ann-Kristin Koch

Umfassendes Know-how

Wer ein solches Team führen und die unterschiedlichen Datenperspektiven verstehen will, muss vielfältige Skills besitzen. Neben ausgeprägtem Kommunikations- und Moderationstalent sind Abstraktionsvermögen und Kenntnisse im Prozess- und Projekt-Management nötig. Generell gilt es, das Geschäft des Unternehmens zu verstehen. Neben den Soft Skills und betriebswirtschaftlichem Know-how sind IT-Kenntnisse gefragt. "Nebelkerzen werfen geht nicht, wenn man sich ernsthaft mit den Spezialisten der IT-Abteilung auseinandersetzen möchte", warnt Gebauer.

Marcus Gebauer will bei der West LB eine Datenqualitäts-Kultur etablieren.
Marcus Gebauer will bei der West LB eine Datenqualitäts-Kultur etablieren.

Auf umfassendes IT-Know-how zielt auch das Curriculum im Studienfach "Master of Science in Information Quality" ab. An der amerikanischen University of Arkansas at Little Rock (UALR) hat John Talburt den weltweit ersten Studiengang dieser Art eingerichtet. Der 62-jährige Informatikprofessor forscht in Kooperation mit Professor Wang vom MIT zu ganzheitlichem Datenqualitäts-Management. Von seinen Studenten erwartet er dabei neben betriebswirtschaftlichem Verständnis Grundkenntnisse in objektorientierter Programmierung, Datenbanken und Statistik. In vier praxisorientierten Jahren in Arkansas steht dann Folgendes auf dem Stundenplan: Datenbanken und IT-Systeme, Datenvisualisierung, Theorie und Strategien des Total-Information-Quality- Managements und der Umgang mit Tools für den Berufsalltag.

"Tools erlauben uns zwar keine spektakulären Stunts wie in den 007-Filmen, aber sie sind unverzichtbar, um die Dr.-No-Datensätze in der zunehmenden Datenflut zu jagen", erklärt Weigel von der Fuzzy Informatik AG. Das Unternehmen sponsert den Studiengang in Little Rock und bringt den Studenten seine Best Practices nahe. Der 39-jährige Datenqualitätsexperte Weigel sitzt nicht nur im Advisory Board der Universität, sondern hält dort auch Vorträge: "Ich habe die europäische Brille auf und versuche lebensnahe Beispiele aus unserem Alltag zu erläutern." So legt etwa ein Brief von Los Angeles nach Boston die gleiche Distanz zurück wie in Europa von Porto nach Moskau. Der Unterschied: Zeichensätze und Adressformate sind in Europa völlig verschieden. Weigel arbeitet mit Analogien, um die Bedeutung von Datenqualität zu vermitteln: "Die Qualitätssicherung des Aston Martin findet nicht erst beim Verlassen des Werksgeländes statt, sondern so früh wie möglich und fortlaufend." Schon bei der Zulieferung eines Radios wird überprüft, ob seine Dioden funktionieren. Genau so verhält es sich mit den Unternehmensdaten. Ein Endprodukt wie der Geschäftsbericht für den Vorstand wird nicht erst beim Druck auf Konsistenz geprüft. Jede einzelne Information, die in Systeme einfließt, sollte schon bei der Eingabe kontrolliert werden. Ohne Tools läuft hier nichts.

Sind Soft Skills, unternehmerisches Denken und IT-Kenntnisse vorhanden und sitzt der Umgang mit den Spezial-Tools, dann haben die Studenten der Universität Arkansas sehr gute Berufsaussichten. Professor Talburt entlässt im Dezember dieses Jahres die ersten Absolventen in den Jobmarkt. "Die Zahl der Unternehmen, die in Data-Quality-Management eine Schlüsselrolle sehen, nimmt stetig zu", erklärt er. Zwar können sich Data- Quality-Manager noch nicht in allen Firmen Hoffnungen auf die Chefebene machen, aber doch auf einen Platz im oberen Linien-Management. "Jahrelang war Datenqualität ein Stiefkind des Prozess-Managements. Doch nun bemerken wir eine Verschiebung", so Talburt. Der Professor zieht folgenden Vergleich: "Wenn Microsoft für die Informatik steht, dann steht Google für die Informationswissenschaft." Mit dem wachsenden Einfluss von Google & Co. werden Daten und Informationen immer bedeutender.

Richard Wang, MIT: Es geht darum, die Datenqualität zu messen und danach zu verbessern.
Richard Wang, MIT: Es geht darum, die Datenqualität zu messen und danach zu verbessern.

Während in der Vergangenheit die USA eine Vorreiterrolle im Data-Quality-Management gespielt haben, holen Europa und insbesondere Deutschland mit Riesenschritten auf. Unternehmen aller Art befassen sich mit dem traditionellen Bankenthema. Die wachsende Bedeutung auch für andere Branchen zeigt sich im Interesse an der Deutschen Gesellschaft für Informations- und Datenqualität (DGIQ). Sie dient als Austauschplattform für alle Themen rund um die Datenqualität. Gebauer und Weigel gehören beide dem Vorstand an: "In der steigenden Informationsflut werden richtige Informationen zum Wettbewerbsvorteil. Das kommt in den Köpfen der Linien-Manager an, und so tauschen wir bei der DGIQ regelmäßig Best Practices aus." (hk)