Zertifikat - was nun? (Teil 3)

Wieso scheitern IT-Projekte trotz Prince2 & Co.?

25.03.2010
Von  und Bernd Raff
Managing Partner bei Dewey & Partner in München

Fall 3: Applikationsentwicklung ohne ausreichende Validierung

Ein umfassendes Innovationsvorhaben für einen Geschäftsprozess lief lange im Zeitplan, erst gegen Ende ergaben sich häufige und wiederkehrende Zeitverschiebungen. Dies war umso schädlicher für das Image des Projektteams, als der Endkunde in dieser Projektphase bereits stark involviert war - für User-Tests und Rollout-Planungen.

Es wurden erheblich Mehraufwände notwendig: Zeitarbeitspersonal, das die Geschäftprozesse manuell abarbeiten musste, und weitere Hardware zur Beseitigung von Engpässen vor Ort. Zudem brachte die Inbetriebnahme eines instabilen Systems Datenverluste beim Kunden mit sich, Aufträge und Lieferscheine gingen nach Auslieferungen verloren. Folglich konnte der Kunde nur Teilaspekte abnehmen. Vor allem aber waren Projektleitung und Lenkungsausschuss nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen, da ihnen der Projektstatus und die Prognosen schleierhaft blieben.

Proposal nicht ausreichend validiert

Des Rätsels Lösung lag darin, dass der Projektvorschlag (Proposal) hinsichtlich Machbarkeit und Risiken nicht ausreichend validiert worden war. Man hatte sich für eine "Big-Bang"-Release-Strategie entschieden. Das war schon sehr waghalsig angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Zielarchitektur um eine neue Technologie mit einer neuen Entwicklungsumgebung und einem neuen Entwicklungspartner handelte. Zu allem Überfluss betraf das Vorhaben auch noch einen äußerst sensitiven Bereich des Kundengeschäfts.

Diese Planungsfehler wurden noch durch weitere Ergebniszusagen verschlimmert, für die es keinen sauberen Change-Prozess als Grundlage für die ständigen Terminverschiebungen gab. Die Projektorganisation war in Silos ohne regelmäßige übergreifende Kommunikation, geschweige denn Abstimmung, angelegt. Die zu entwickelnde Applikation hingegen schnitt unterschiedliche Prozesse über die Bereichsgrenzen hinweg. Die Kundenabnahme war denn auch nicht klar organisiert.

Zur Korrektur wurde die Projektleitung an einen Dritten vergeben, der die Generalunternehmerverantwortung übernahm. Zudem bekam die Projektstruktur einen stärkeren Integrationsfokus. Und die Release-Planung wurde inhaltlich überarbeitet - zur Verbesserung der Qualität.