Voraussetzung für die Kündigung?
Vielfach wird in der Praxis die Frage gestellt, wie oft ein Arbeitnehmer abgemahnt werden muss, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Es besteht in weiten Kreisen die Fehlvorstellung, dass erst nach drei Abmahnungen eine Kündigung wirksam wäre. Die Zahl der vor einer Kündigung auszusprechenden Abmahnungen hängt vielmehr von einer Interessenabwägung ab, bei der unter anderem die Schwere des Pflichtverstoßes, die Häufigkeit früherer, gleich gelagerter Pflichtverstöße, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und etwaige Entschuldigungsgründe abgewogen werden müssen: Je schwerwiegender und nachhaltiger der Verstoß ist, desto weniger Abmahnungen sind erforderlich.
Zu beachten ist auf Arbeitgeberseite auch, dass bei mehreren einschlägigen Abmahnungen ohne darauf folgende tatsächliche arbeitsrechtliche Konsequenzen die Warnfunktion geschwächt und darüber hinaus die Glaubwürdigkeit gemindert wird. Von daher ist es erforderlich, dass die letzte Abmahnung in Wortwahl und Tonfall besonders eindringlich gestaltet wird. Es empfiehlt sich in solchen Fällen die Überschrift "Letztmalige Abmahnung", bei der es dann als solche auch bleiben muss.
Es gibt außerdem zahlreiche Sachverhalte, bei denen eine Abmahnung entbehrlich ist. Außerhalb der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere in der Probezeit, entfällt das Abmahnerfordernis deswegen, weil es auf eine Begründung der Kündigung nicht ankommt. Auch ist zum Beispiel im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abmahnung nicht erforderlich, da eine solche allein im Einflussbereich des Arbeitgebers liegt.
Personenbedingte Kündigung
Bei einer personenbedingten Kündigung ist eine Abmahnung ebenfalls in der Regel nicht erforderlich, weil die Krankheit eines Mitarbeiters zumeist nicht aus einem vorwerfbaren Fehlverhalten resultiert. Schließlich ist eine Abmahnung bei sehr schweren Pflichtverletzungen unnötig, bei denen der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres selbst erkennen kann und bei denen die Hinnahme des Arbeitnehmerverhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist. Dies sind insbesondere Fälle, in denen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, zum Beispiel bei Eigentumsdelikten, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt oder wenn nachhaltige Beleidigungen bzw. Tätlichkeiten seitens des Arbeitnehmers vorliegen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass das Abmahnrecht aufgrund seiner vielschichtigen Voraussetzungen nur schwer zu durchschauen ist. Deshalb erweisen sich in gerichtlichen Verfahren Abmahnungen häufig als erhebliche Stolpersteine für wirksame Kündigungen. Von daher ist anzuraten, in Zweifelsfällen vor der Übergabe einer Abmahnung an den Arbeitnehmer einen fachlichen Ratschlag einzuholen. (oe)
- Kündigungsgespräche richtig führen
Wer einem Mitarbeiter die Entlassung mitteilt, sollte darauf achten, dass es ein Gespräch auf Augenhöhe ist. Sechs Tipps zur Gesprächsführung. - Tipp 1
Achten Sie darauf, dass vor dem Gespräch mit dem Mitarbeiter keiner seiner Kollegen von der Kündigung erfährt. - Tipp 2
Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Welche Faktoren machen die Kündigung unumgänglich? Wie können Sie auf mögliche Einwände reagieren? - Tipp 3
Seien Sie ehrlich: Beschönigen Sie nicht die Situation, sondern geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein konstruktives Feedback. - Tipp 4
Berücksichtigen Sie auf jeden Fall, dass es bei einer Kündigung nicht nur um eine Fach- oder Führungskraft einer bestimmten Abteilung geht, sondern um einen Menschen mit allen seinen sozialen und gesellschaftlichen Bezügen. Das ist gerade dann wichtig, wenn man den Mitarbeiter nicht immer geschätzt hat. - Tipp 5
Geben Sie ihm genügend Zeit für seine Reaktionen wie Wut oder Tränen: Bieten Sie gegebenenfalls ein weiteres Gespräch in ein paar Tagen an, wenn der Mitarbeiter sich wieder gesammelt hat. - Tipp 6
Seien Sie auch in den nächsten Tagen stets offen für weitere Fragen des gekündigten Mitarbeiters.
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Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de