Der Chef und sein bester Zuhörer

31.01.2002
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Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Bei der Internet-Agentur, die im Gegensatz zu manchen Mitbewerbern den New-Economy-Crash bislang überlebte, aber nun kräftig sparen muss, wurden in der Wachstumsphase vor allem die Mitarbeiter von externen Trainern begleitet, die zum Projektleiter aufgestiegen waren. Ein Angebot, das laut Fliegen die meisten auch gern annahmen: „ Anfangs waren einige vielleicht noch skeptisch, weil sie eine Tool-Schulung nach klassischem Muster erwartet hatten und erst einmal realisiern mussten, dass sie selbst für Themen und Umsetzung verantwortlich waren.“

In wirtschaftlich schwierigeren Zeiten läuft Coaching wie andere teure Weiterbildungsmaßnahmen auch Gefahr, als Erstes von der Geschäftsleitung gestrichen zu werden. Dabei eignet sich dieses Instrument auch, um Veränderungsprozesse zu begleiten. Als Manager Paul Kaiser (Name von der Redaktion geändert) dem Produkt, für das er zuständig ist, einen neuen Inhalt und eine modernere Verpackung verpassen sollte, wurde ihm klar, dass er die bisherigen Abteilungsstrukturen aufbrechen und seine Mannschaft noch besser motivieren musste. Die über 40 Mitarbeiter waren alle in den monatelangen Prozess eingebunden, hatten schließlich zusammen mit Kaiser das Produkt neu erfunden und selbst neue oder erweiterte Aufgabenbereiche bekommen.

Berater nutzen Methoden aus der Familientherapie

Ein Prozess, der unter anderem deswegen größtenteils reibungslos verlief, weil Kaiser gezwungen war, seinem externen Coach auch Selbstverständlichkeiten der bisherigen Strukturen zu erklären und so im Vorfeld schon auf Probleme stieß, die er selbst nie so wahrgenommen hätte. „Oft erledigen sich Probleme auch schon, wenn man sie zum ersten Mal bewusst formulieren kann“, so Kremin aus seiner Beratungserfahrung. Probleme visuell sichtbar macht auch die systemische Coaching-Methode.

Ursprünglich in der Familientherapie angewandt, werden systemische Aufstellungen seit einigen Jahren verstärkt im wirtschaftlichen Umfeld genutzt, um etwa Schwierigkeiten in Teams, erhöhte Fluktuation, Absatzprobleme oder die Neuorganisation einer Abteilung darzustellen und auch Lösungen zu finden. Mit der Methode lässt sich das unbewusste Wissen herausarbeiten, das in jedem System, in jeder Organisation schlummert.