Der weite Weg zum Kunden

31.08.2001
Von 
Daniela Hoffmann ist freie IT-Fachjournalistin in Berlin.

Ganz ähnlich sieht Markus Schwarz, Geschäftsführer des Call-Center-Dienstleisters Sellbytel GmbH, die Situation: "Es gibt im Grunde kein großes Industrieunternehmen, das die Thematik vollständig im Griff hat." Nicht nur im Unternehmen selbst stehe das CC zwischen den Stühlen der Abteilungen, auch die Hersteller kämen aus verschiedenen Ecken, etwa Siebel aus dem Vertrieb oder Remedy aus dem Service-Bereich.

Tatsächlich sieht Kolm schon bei so banal klingenden Themen wie E-Mail-Management noch erheblichen Handlungsbedarf. "Die Integration der E-Mail-Kommunikation in das Call Center ist heute in den wenigsten Fällen realisiert", sagt der Call-Center-Experte. Die Unternehmen wüssten meist nicht, wie viel elektronische Post sie bekommen, da sie sich auf diverse Personen und Abteilungen verteile.

Zudem sei unklar, welches Niveau die Anfragen haben - zwischen einer Kataloganforderung und einer detaillierten Produktfrage lägen bei der Bearbeitungszeit Welten. Weil die E-Mail-Korrespondenz "nebenbei mitgemacht" werde, könnten die Unternehmen auch die Kosten dieser Form der Kommunikation nicht beziffern.

Dass sich an den vielbeklagten Missständen bei der Bearbeitung elektronischer Post in den Unternehmen wenig geändert hat, zeigte erst kürzlich eine Studie des E-Services-Anbieters E-Gain unter 20 deutschen Finanzdienstleistern - in einer Branche, die immerhin beim E-CRM als Vorreiter gilt. Nur 58 Prozent der Kundenanfragen per elektronischer Post wurden demnach innerhalb von fünf Tagen beantwortet. Innerhalb eines Tages antworteten lediglich sechs Banken.

Die Hoffnung, dass die Zahl elektronisch eingehender Anfragen in Zukunft sinken könnte und sich das Problem somit selbst entschärft, scheint auch vergeblich. Laut den Marktforschern von Datamonitor soll sich der Anteil von Kundenanfragen, die per E-Mail eintreffen, bis zum Jahr 2003 auf 18 Prozent verdreifachen, während die Telefonate auf 74 Prozent zurückgehen.

Auch Rieke Bönisch, Unternehmenssprecherin des E-Marketing-Anbieters L-Lynch, geht davon aus, dass sich Betriebe von der traditionellen Bearbeitung der Inbound-Kommunikation lösen müssen. Durch den Web-Auftritt kämen automatisch mehr Mail-Anfragen auf die Mitarbeiter zu, und ohne entsprechende Werkzeuge leide die Servicequalität. Bisher verspürten allerdings nur wenige Branchen den Druck, in das E-Mail-Management zu investieren. Mit einem ab September verfügbaren neuen Release 2.0 der Software E-Mail-Call-Center wolle man dem zu erwartenden Bedarf begegnen.