Jahresrückblick 2008

IT-Branche fährt Achterbahn

16.12.2008
Von  und
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Schlechtes Timing bei der SAP

SAP-Chef Henning Kagermann gab sich Anfang September 2008 noch optimistisch.
SAP-Chef Henning Kagermann gab sich Anfang September 2008 noch optimistisch.
Foto: computerworld.ch

Dies gilt zumindest in finanzieller Hinsicht auch für SAP. Und zumindest bis Mitte Oktober. Bis dahin hatte sich der Konzern gut behauptet, dann folgten eine Gewinnwarnung und Sparappelle an die Belegschaft, die von einer gewissen Hilflosigkeit zeugten - Urlaub spenden, Einstellungsstopp, Economy-Tickets, keine Weihnachtskalender mehr. Seitdem notiert die Aktie wieder auf dem Niveau von 2003. Zudem hat es SAP geschafft, die Bestandskunden des deutschen Mittelstands gegen sich aufzubringen. Ihnen wurde nämlich eine Erhöhung der Wartungsgebühren von 17 auf 22 Prozent präsentiert mit schrittweisen Steigerungen über vier Jahre. Unter dem Strich wachsen die Wartungsgebühren damit um 29 Prozent. Und den neuen Enterprise Support lehnen viel Kunden ab, weil er ihnen keine Vorteile bringt und man in Asien anrufen muss, um geschäftskritische Probleme zu besprechen.

Im Oktober wurde die SAP von der Krise überrollt.
Im Oktober wurde die SAP von der Krise überrollt.

Interessant ist eine der offiziell genannten Begründungen für das Zwangs-Upgrade: Die Anforderungen der Anwender an den Support ihrer immer komplexer werdenden ERP-Landschaft würden sich mit der Standardwartung nicht mehr befriedigen lassen. Dass SAP selbst die Einführung ihrer neuen Produkte stets mit dem Verweis auf sinkende Komplexität und Lifecycle-Kosten beworben hat, lässt auf einen gesunden Zynismus im Walldorfer Vertrieb schließen - erst machen wir alles kaputt, dann kassieren wir für den Wiederaufbau. Dass die Großkunden von der Steigerung (vorerst) ausgenommen sind, kam nicht gut an im Mittelstand. Zudem ritt CEO Henning Kagermann im ersten Halbjahr 2008 mehrfach gegenüber Investoren auf der Aussage herum, dass eine operative Marge von 35 Prozent in den nächsten Jahren erreichbar sei. Für SAP natürlich, nicht für die Anwender.

Gegen Ende des Jahres formierte sich dann auch der Widerstand der Kunden in Deutschland, der Basis des einstigen SAP-Erfolgs. Allein die Tatsache, dass Dutzende CIOs im Namen ihrer Unternehmen öffentlich Front gegen die SAP-Pläne machten, zeigt die Tiefe des Spalts, der sich zwischen dem Lieferanten und seinen Abnehmern aufgetan hat. Und selbst die eigentliche herstellertreue Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe DSAG begehrte auf und drohte, die SAP-Wartung kartellrechtlich prüfen zu lassen. Fazit: Bei der Gratwanderung zwischen Investoren und Kunden hat sich SAP 2008 für eine Seite entschieden. Da hilft es wenig, dass auch Oracle Mitte des Jahres die Lizenzpreise angehoben hat, was ja wiederum dem eigenen Wartungsgeschäft zugute kommt. Kleiner Tipp für Kunden: SAP bietet auch einen Finanzierungs-Service für Unternehmen, die "IT-Budgets problemlos planen und steuern" wollen. Und allein der Solution Manager rechtfertige den Aufschlag, argumentierte SAPs designierter Allein-CEO Leo Apotheker.